Ich bin ein Clown
Als Clown wurde ich geboren und nach und nach habe ich mir ein Kostüm zurechtgelegt, in das ich jeden Morgen schlüpfe, um Patrick Hafner zu sein. Mein Kostüm ist geschneidert aus Erfahrungen, Glaubenssätzen, Lehren, Schutzmechanismen, Strategien, Konzepten, Idealen, Wünschen, Niederlagen, Verletzungen, Ansprüchen und Zielen. Es schmückt mich zu dem, der ich sein möchte und bewahrt mich gleichzeitig davor, nackt zu sein und damit angreifbar und verletzlich.
Immer wieder fühle ich mich sicher und mutig genug, um mein Kostüm abzulegen. Nicht mehr die Figur Patrick Hafner zu sein, sondern das Unbeschreibliche, das ich ohne Kostüm bin: präsent im Hier und Jetzt, neugierig auf alles um mich herum, offen in Hirn und Herz, achtsam und aufgeregt, naiv, in freudiger Erwartung, dankbar, großzügig, verliebt in den Augenblick, verletzlich. Clownsciousness nenne ich diese Bewusstheit des Clowns. Ein heilsamer und kreativer Zustand der Achtsamkeit, die der Clown ist.
Warum spielen Kinder?
Erinnerst du dich an dieses Gefühl, das du damals hattest?
Nimmst du wahr, was in deinem Körper passiert, wenn du lachst?
Oder wenn du dankbar bist? Wenn du dich auf etwas freust?
Die Grundenergie des Spiels, der Neugier, der Improvisation schafft einen Raum, in dem Unmögliches möglich wird. Wenn Menschen mit Freude und Leichtigkeit an etwas herangehen, dann wird jede Begegnung schöpferisch, jede Ressource sichtbar, jede Vision realisierbar. Der Clown ist wie ein Kind, von einem Erwachsenen an der Hand geführt. Beide zusammen, nicht der eine oder der andere. Beide zusammen, sowohl als auch. Mal führt der eine, mal der andere.
Die Kraft von Freude und Leichtigkeit
Ich bin Cliniclown. Seit 17 Jahren besuche ich Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren unter herausfordernden Lebensumständen. 40.000 Begegnungen mit besonderen Menschen in Krankenhäusern, Altersheimen und Pflegeeinrichtungen haben mich den Weg der Freude und des Spiels gelehrt. Die Kraft der Leichtigkeit und des Leuchtens – Lightness. Auch und gerade dann, wenn eine Situation es scheinbar unmöglich macht.
Wir sind auf der Neuroonkologie. Die 14-jährige Hannah liegt im Sterben. Das Pflegepersonal weist uns an, ihr Zimmer auszulassen. Doch wider Erwarten bittet uns die Mutter herein, Hannah freue sich! Wir – Dr. Disco und Dr. Trüdchen – treten ein.
Das Mädchen liegt im Bett und kann sich nicht bewegen, doch sie ist aufmerksam und kommuniziert über ihre Augen. Bewundernd bemerken wir ihre wunderschönen rosa Fingernägel, ganz Ton in Ton mit ihrem Pyjama. Gemeinsam bestaunen wir die schönen Hände – eine große Freude für das Mädchen! Sogleich stimmen wir für sie auf der Ukulele die „neue“ Version eines bekannten Schlagers an: „Rosa Nägel soll man küssen“. Hannahs Mama singt freudig mit und Hannah lächelt uns mit strahlenden Augen ins Herz.
Nach dem Singen ärgern wir uns über uns selbst und werfen uns vor, ein zu altes Lied gewählt zu haben: „Für Hannah braucht es etwas Modernes!“ Schnell kommen wir auf „Baby“ von Justin Bieber. Hannah nickt zustimmend. Da betritt eine Pflegerin das Zimmer und will Hannahs Blutdruck messen. Wir laden auch sie gleich zum Mitsingen ein. Schnell zückt sie das Smartphone und das Lied erfüllt den Raum. Wir nehmen Hannahs Hände und tanzen mit ihr, während uns die Krankenschwester mit coolen Tanzbewegungen beeindruckt. Es geht richtig die Post ab. Hannahs Zimmer hat sich in einen Partyraum verwandelt! In diesem Moment sind Freude und Leben so spürbar. Und zeitlos.
Was am Sterbebett eines Mädchens möglich ist, ist auch überall sonst möglich.
Angst zu haben und sich davor zu schützen, ist so menschlich. Jede Begegnung mit einem chronisch oder schwer kranken Menschen am Krankenbett ist ein Eintreten in einen unbekannten Raum, in dem Angst eine große Rolle spielt. Nur durch Liebe und Offenheit, Leichtigkeit und Leuchten ist die Begegnung und das Öffnen eines Raums der Freude möglich. Das schafft die Energie des Clowns – Clownsciousness, Lightness. Und der Clown lädt jede und jeden dazu ein, ein Bad in dieser Energie zu nehmen. Nicht fordernd, sondern teilend. Weil es das ist, wofür der Clown lebt.